Pipi Vela, legendärer Barde aus Iquitos

1992 unternahm ich eine Reise von Cusco nach Brasilien, um Freunde zu besuchen. Mein erster Zwischenstopp war in der peruanischen Urwald Metropole Iquitos, einst durch den Kautschukboom um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts einer der wohlhabendsten Orte ganz Südamerikas.

Iquitos hat am Hauptplatz sogar ein Gebäude, das von Eiffel entworfen wurde, sowie eine wunderschöne Uferpromenade umgeben von stattlichen Wohnhäusern des frühen 20. Jahrhunderts mit blaugekachelten Fassaden (die meisten der Kacheln wurden aus Andalusien eingeführt). Während man entspannt auf dem ‘Malecon’ entlang schlendert, kann man sich in Zeiten zurückversetzt fühlen als noch die Klänge von aus Italien importierten Klavieren aus den Räumen schallten, natürlich gespielt von den Töchtern aus besten Familien europäischer Abstammung, während ihre Eltern ihre Gäste unterhielten und ihnen Tee in die feinsten eingeführten Porzellantassen einschenkten…

Manche der Villen sind nun in schlechtem Zustand, manche sogar verfallen, denn hinter der stolzen Strassenfassade wächst nun das Unkraut. Wir sahen manche solcher Ruinen, die für eine halbe Million Dollar oder mehr zum Verkauf ausgeschrieben standen. Ein einfallsreicher Brite hatte das Grundstück erstanden, wo 2003 Szenen aus dem erfolgreichen Film ‘ Der Hauptmann und sein Frauenbatallion’, basiert auf dem unterhaltsamen Vargas Llosa Roman gleichen Namens, gefilmt wurden. An dieser Stelle baute er nun wunderbare bequeme Ferienwohnungen, ganz gewiss die allerbesten in der ganzen Stadt, mit spekatkulären Ausblicken auf den Amazonasfluss. Während unseres letzten Besuchs verbrachten wir viele Stunden und sogar ganze Tage nur mit der Beobachtung des unendlichen Spiel des Lichts auf dem Fluss.

Aber damals, 1992 war an dieser Stelle noch der alte Hafen und die Atmosphäre war hier ganz und gar wie aus Werner Herzog’s Film ‘Fitzcarraldo’. Dampfboote legten hier an und Frachtschiffe wurden ausgeladen. Bananenstauden, Säcke voller Maniokwurzeln und Papayas wurden von hier aus zu den Märkten geschickt. Der Ort war voller summender Aktivität. Am späten Nachmittag ging ich in eine der aus Holz gebauten Kneipen im Freien, umgeben von mit Chamäleon besiedelten Bäumen und beobachtete fasziniert das emsige Treiben bei einem kalten Glas Bier.

Ich bin mir nicht sicher, ob das eine so gute Idee war mich als alleinreisende Frau in so eine Hafenkneipe zu begeben, aber ich hatte bestimmt meinen Schutzengel dabei, denn dort traf ich zum ersten Mal den ikonischen lauretanischen Künstler Pipi Vela, ein Kavalier alter Schule. Ich vergaß weder seinen Namen (den er mir mehrmals wiederholte) noch diese Episode.

Daher freute ich mich sehr ihn dieses Jahr im Juli wiederzutreffen. Ich hatte ihn nämlich auf Facebook wiedergefunden und mit ihm Kontakt aufgenommen. Obwohl ich ihn über 27 Jahre nicht gesehen hatte und ernsthaft zweifelte, dass er sich überhaupt an unser letztes Treffen erinnern konnte, war es dennoch so, als ob ich einen alten Freund wiedertraf. Wir verabredeten uns mit Pipi zum Mittagessen an der Uferpromenade und bei dieser Gelegenheit brachte er uns ein wunderbares Ständchen.

An einem anderen Tag wurden wir von ihm in sein ‚trostloses Herrenhaus‘ am Stadtrand von Iquitos eingeladen, wie Pipi sein bescheidenes Heim gern nennt, und mit frischem Kokoswasser und aus aufgeweichten Urwaldpflanzen hergestellten hausgemachten Likören verwöhnt.

Wir hatten ja bereits eine Kopie seines interessanten Buches ‘Propheten stammen aus dem Amazonasgebiet’ erstanden, in dem er viele seiner Memoiren, Lebensphilosophie und Gedichte niedergeschrieben hatte. Nun zeigte er uns all seine Ölgemälde. Welch ein grossartiges Talent verbirgt sich in dieser liebenswürdigen und gutmütigen Zigeunerseele!

Für mich stellt Pipi Vela den Geist des ehemaligen Iquitos dar. Es wird höchste Zeit, dass die Autoritäten von Iquitos endlich den Schatz erkennen, den sie in ihm haben. In Nauta befindet sich immerhin eine Statue zu seinen Ehren, denn er hat eine seiner Kompositionen dieser Stadt gewidmet.

 

Es machte uns traurig zu sehen, dass dieser große leidenschaftliche und talentierte Künstler, ehemals eine Berühmtheit mit dem Spitznamen ‘der Prinz des Amazonas’ nun fast von der Welt vergessen lebt. Seine großartige Gedichtesammlung ist mir ständig präsent. Pipi hat immer noch den Geist des wandernden Minnesängers und Zigeuners seiner Jugend und man sieht ihn oft die Uferpromenade in Iquitos entlangschendern oder etwa auf dem Hauptplatz von Nauta, mit seiner Gitarre von seiner Schulter hängend. Er ist stets dazu bereit Besucher und die Bewohner dieser Orte mit einem Ständchen zu beglücken. Wir hoffen, dass unsere bescheidene You Tube Präsentation dazu beitragen wird diesem großartigem Barden zu helfen sein Publikum über das Netz zu vergrößern. Er verdient es gehört und ausgestellt zu werden! Sie können im Anschluss seine Musik hören:

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